„Deutsch zu lernen, ist sehr schwierig“

„Deutsch zu lernen, ist sehr schwierig“

Sprachkurs für Ukrainerinnen in Lippstadt: Der Patriot, 30.07.2022, Artikel von Sarah Bsdurek


Das Ziel vieler geflüchteter Frauen aus der Ukraine ist es, Deutsch zu lernen, um sich integrieren zu können. Einen Sprachkurs mit Kinderbetreuung gibt es wöchentlich beim Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) Lippstadt im Cap 27. Ein Angebot, das nicht nur Sprache lehrt, sondern auch Gemeinschaft formt und Hoffnung gibt.

Ich kaufe ein. Ich kaufe Käse.“ Zwei Sätze, über die sich Menschen mit Deutsch als Muttersprache keine Gedanken machen. Die sechs Ukrainerinnen aber, die im Cap 27 in Lippstadt seit Mitte Mai Deutsch lernen, fragen sich, warum im ersten Satz das Wort „ein“ genutzt wird, im zweiten Satz hingegen nicht, wo doch in beiden Fällen das zugrunde liegende Verb „einkaufen“ ist. Damit sich die Frauen auf Elke Happe, die den Unterricht gibt, konzentrieren können, betreut Nouzha Brightan derweil die Kinder. Unterstützung erhält sie dabei von der ehrenamtlichen Mitarbeiterin Melanie Groeneveld.

„Bis zu zehn Kinder können gleichzeitig hier betreut werden“, teilt Ehrenamtskoordinatorin Daniela Fischer mit. Das Gruppenangebot „Spiel, Begegnung, Sprache“ sei ein Brückenprojekt des Landes NRW für die Kinderbetreuung in besonderen Fällen, so Fischer weiter. „Mit Fördergeldern konnten wir pädagogisches Material anschaffen, damit sich die Kinder ausprobieren und austoben können.“ Und das tun sie auch. Die Geräuschkulisse im Raum ist erfüllt von spielenden, lachenden und tobenden Kindern. Kommt es mal zum Streit, schlichten die Mütter, denn die Sprachbarriere zwischen Betreuerinnen und Kindern ist in solchen Fällen dann doch noch zu hoch. Aber: „Die Kinder warten immer und freuen sich, hierher zu kommen. Und ich auch“, sagt Alina Lebid. „Es ist schwer, einen Sprachkurs mit Kinderbetreuung zu finden, deshalb sind wir Elke Happe und den Betreuerinnen hier sehr dankbar“, fügt Olha Diadiurenko hinzu.

Weiter geht es mit dem Deutsch lernen. Das Thema „Lebensmittel einkaufen“ steht auf dem Programm. Dazu schreibt Happe die Satzanfänge „Ich möchte bitte...“, „Geben Sie mir bitte...“ und „Ich möchte gern...“ an die Tafel. „Ich möchte bitte Eis“, vollendet Yuliia Krupii prompt den ersten Satz. Danach präzisiert sie diesen Wunsch sogar noch und löst damit die von Happe gestellte Aufgabe. „Geben Sie mir bitte eine Kugel Schokolade in der Waffel.“ Dann geht es reihum. Jede Frau bildet einen Satz, mit dem sie sich beim Einkaufen verständigen könnte. „Ich möchte bitte fünf Scheiben Gouda“, formuliert Alina Lebid schon sehr sicher. Natalia Bozhko überlegt, ob sie Fisch möchte, entscheidet sich dann aber doch dagegen. „Fisch ist hier sehr teuer, in der Ukraine kostet Fisch nicht so viel“, lautet die Begründung, die Yuliia Krupii für Elke Happe aus dem Ukrainischen ins Englische übersetzt.

Nach knapp eineinhalb Stunden Unterricht gibt es erstmal eine Kaffeepause für alle. Auch die Kinder kommen mit an den Tisch. Es gibt Waffeln, Kekse und ausgelassene Gespräche. Der kleine Maxime sitzt neben seiner Mama Yana Lysenko auf dem Stuhl, lässt seine Beinchen baumeln und mampft summend vor sich hin. Trotz Pause üben die Ukrainerinnen weiter: „Die Kekse schmecken lecker“, sagt Yana Lysenko in fragendem Tonfall, ob die Formulierung so richtig ist. Ihnen sei es wichtig, Deutsch zu lernen und sich zu integrieren. Keiner weiß, wie lange der Krieg noch dauert, betont Alina Lebid.

Nachdem alle Kaffeetassen ausgetrunken und der Tisch wieder abgedeckt ist, geht der Unterricht weiter. Nun geht es darum, ob etwas in den Einkaufswagen gestellt oder gelegt wird. „Gestellt werden Flaschen, Gläser, Dosen, Kisten und Töpfe, alles andere wird in den Einkaufswagen gelegt“, erklärt Happe ihren Schülerinnen. Deren Aufgabe lautet sodann Sätze zu bilden mit „Ich lege ... in den Einkaufswagen“ oder „Ich stelle ... in den Einkaufswagen“. Dafür verteilt Happe Prospekte von verschiedenen Supermärkten, aus denen Produkte ausgewählt werden können. Anna Vorobiova sucht sich eine Tafel Schokolade aus und „legt“ diese in den Einkaufswagen. Als Nächstes bildet Natalia Bozkho einen Satz. Sie beginnt mit „Ich lege“ und schaut dann ins Prospekt, um sich zu entscheiden, was sie „kaufen“ möchte. „Jetzt kannst du keine Kiste Bier mehr nehmen, die müsstest du in den Einkaufswagen stellen“, scherzt Alina Lebid und bringt damit die ganze Gruppe zum Lachen. Die Stimmung ist ausgelassen. Bei Unklarheiten helfen sich die Frauen gegenseitig. Auch, dass sie alle gut Englisch sprechen, erleichtert die Kommunikation mit Elke Happe. „Deutsch zu lernen, ist sehr schwierig, aber wir haben eine gute Lehrerin“, sagt Anna Vorobiova. „Ja, wenn wir Fragen haben, erklärt sie uns alles mit Beispielen“, fügt Yuliia Krupii hinzu.

Mit der Frage, ob und was ihre Pläne für die Zukunft sind, wird es ernst im Raum. „Am 24. Februar wurden all unsere Pläne zerstört“, sagt Olha Diadiurenko ernst und mit Nachdruck. „Da in unserem Land Krieg ist, haben wir keine großen Pläne mehr. Wir setzen uns kleine Ziele für den nächsten Tag oder die nächste Woche“, beschreibt Anna Vorobiova ihre Situation und Alina Lebid meint: „Wir möchten gerne nach Hause, aber das geht nicht. Einige haben auch keine Häuser mehr, weil alles kaputt ist. Am wichtigsten ist jetzt, dass die Kinder in Sicherheit sind.“ Dem schließen sich alle an: „Es ist schön, hier in Deutschland unter einem ruhigen Himmel leben zu können.“

++++ So viele Ukrainer leben in Lippstadt ++++

557 Ukrainerinnen und Ukrainer leben momentan in Lippstadt und den Ortsteilen, wie Pressesprecherin Julia Köller mitteilte. In den Zahlen sei in den vergangenen Monaten durch Umzüge oder Rückkehr der Geflüchteten in die Ukraine immer etwas Bewegung gewesen. Insgesamt könne man allerdings sagen, dass die Zahlen tendenziell weiterhin leicht ansteigen, so Köller.